Zlata Tkachenko wollte zum Schwimmtraining wie fast an jedem Morgen. Die 15-Jährige ist eine Spitzenathletin und Mitglied des ukrainischen Schwimm-Nationalteams. Den Wecker hat sie früh gestellt, aber am 24. Februar wird sie noch früher von einer Explosion geweckt.
In ihrer Heimatstadt Dnipro hat der Krieg begonnen. Zlatas Vater macht ihr klar, was der Lärm, die Raketen und die Detonationen zu bedeuten haben.
An Training ist nicht mehr zu denken. Die Schwimmbäder in Dnipro sind geschlossen. Und auch aus dem geplanten Start bei den ukrainischen Meisterschaften am 8. März in Charkiw wird nichts. Auch die Metropole im Nordosten der Ukraine wird zum Ziel heftiger russischer Angriffe.
An Schwimmsport oder gar Meisterschaften ist dort nicht zu denken.
Im Westen des Landes ist die Situation besser. Zlatas Familie reagiert schnell. Die Eltern fahren mit ihren beiden Töchtern bis nach Iwano-Frankiwsk. Die Stadt liegt mehr als 900 Kilometer von Dnipro entfernt nahe der ungarischen Grenze. Bereits drei Tage nach Kriegsbeginn kommen sie dort an. In Iwano-Frankiwsk gibt es ein Schwimmbad, das geöffnet ist.
Zlata kann trainieren.
Eine Woche bleibt sie dort. Dann meldet sich einer der ukrainischen Schwimmtrainer per Telefon. In Debrezin in Ungarn gebe es Trainingsmöglichkeiten, berichtet er. Zlata bricht erneut auf. Mit einer Teamkollegin und einem anderen Trainer fährt sie nach Ungarn. Einen ganzen Tag sind die drei im Auto unterwegs. Auf den Hauptstraßen, so befürchten sie, könnten sie zu leicht Opfer eines Bombenangriffs werden.
Bis zum 23. Mai bleibt Zlata in Ungarn. Über das Internet kann sie sogar am Schulunterricht teilnehmen. Das bringt immerhin ein bisschen Normalität, auch wenn es für den gewohnten Standard nicht reicht. Zlata hatte in Dnipro die 9. Klasse einer Privatschule besucht. Am Schuljahresende standen Prüfungen an. Die Examina kann sie nun nicht ablegen. In Kriegszeiten gelten aber auch für Schulen Ausnahmen. “Die Regierung hat angekündigt, dass wir in der elften Klasse ein anderes Examen machen können”, berichtet die 15-Jährige.
Die Trainingsbedingungen sind gut in Debrezin. Aber nach einiger Zeit gibt es Probleme mit einem der Trainer.
Zlata möchte wieder weg. Mit zwei Teamkolleginnen beschließt sie, nach Wolfenbüttel zu reisen. Dort ist in der Zwischenzeit ein Teil der ukrainischen Schwimmmannschaft untergekommen.
Zlata packt nur das Nötigste ein. Einen großen Rucksack und eine Tasche nimmt sie mit.
Dann geht es nachts um 3 Uhr zu Fuß zum Bahnhof.
Die jungen Frauen finden kein Taxi und keine Straßenbahn. Sie laufen. Sie haben lediglich eine halbe Stunde, um die drei Kilometer zurückzulegen. Aber es reicht. Über Ungarn fahren sie nach Wien. Dort bekommen sie von Freiwilligen Tickets für einen Zug nach Göttingen, wo sie Zlatas Trainer schon erwartet.
Zu ihren Eltern hat Zlata nur per Telefon und Internet Kontakt. Der Vater musste in der Ukraine bleiben. Die Mutter kam für zwei Tage zu Besuch nach Debrezin. Dann fuhr sie wieder zurück nach Dnipro.
Sie vermisst ihre Eltern, sagt die Schülerin.
Aber Vater und Mutter müssten in Dnipro arbeiten. Ihre Auseinandersetzung mit dem Krieg hat sie auf ein Minimum reduziert. Jeden Tag gibt es eine Viertelstunde Nachrichten. Das muss reichen.
Wir organisieren Unterkünfte, Veranstaltungen und vieles mehr für Flüchtlinge aus der Ukraine. Viele Familien benötigen ein neues Heim. Wir geben den Ukrainerinnen und Ukrainern hier eine Plattform um ihre Geschichten zu erzählen.
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