Gesichter der Ukraine

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Olga Hordiienko

Dnipro

Ukraine Map

Drei Frauen und drei Kinder in einem Auto - und die Angst reist mit

Sieben Tage dauert Olga Hordiienkos Flucht vor dem Krieg in der Ukraine. Zusammen mit einer Freundin, deren Schwiegermutter und drei Kindern macht sie sich auf den Weg, als die Bomben in Dnipro einschlagen. Alle sechs setzen sich in einen PKW. Es ist eng im Auto, und weil Krieg herrscht und es ins Unbekannte geht, fährt die meiste Zeit auch noch die Angst mit.

Rund 2000 Kilometer sind es von der Stadt im Osten der Ukraine bis nach Wolfenbüttel. Normalerweise ist man zwei Tage unterwegs. Aber diesmal ist nichts normal.

Auf den Hauptstraßen gibt es riesige Staus.

Olga fährt über Nebenstraßen und nutzt sogar Feldwege, um voranzukommen. Sie muss immer wieder an Straßensperren halten. Besonders nachts macht das den Frauen Angst. Sie wissen nicht, ob die Männer mit den Gewehren, die sie stoppen, ukrainische Soldaten sind oder Russen – oder sogar Kriminelle, die sie ausrauben wollen.

Trotzdem sieht die 39-Jährige keine Alternative mehr zur Flucht, nachdem der Krieg begonnen hat. “Rette deine Kinder”, sagt ihre Schwester, die in Butscha lebt, am Telefon. Da machen sich die sechs auf den Weg. Auf den Straßen herrscht totales Chaos. Am ersten Tag schaffen sie es nicht einmal aus Dnipro heraus.

Am nächsten Tag regnet es und es gibt weniger Verkehr auf den Straßen. Weil von Süden her russische Soldaten Richtung Dnipro vorrücken, halten sich die Flüchtlinge weiter nördlich. Um Staus zu vermeiden, nutzen sie Nebenstraßen. Aber dort gibt es oft Straßensperren. Nur weil sie Kinder an Bord haben, lassen die Soldaten sie weiterfahren.

Nachts herrscht Ausgangssperre, da dürfen sie nicht fahren. Einmal riskieren sie es doch, weil sie tagsüber kaum vorangekommen waren. “Das war wirklich gefährlich. Wir hätten erschossen werden können”, meint Olga später. Am nächsten Tag müssen sie tanken.

Benzin ist rar geworden.

Vor den Tankstellen, die noch geöffnet haben, gibt es lange Schlangen. Wenn man endlich dran ist, darf man nur 20 Liter tanken. Olga und ihre Begleiterinnen stellen sich gleich wieder hinten an – so lange bis der Tank voll ist.

In Winnyzja machen sie Station, Freunde bieten an, sie länger aufzunehmen. Aber sie fühlen sich nicht sicher und fahren weiter. In Lwiw, im Westen der Ukraine, bleiben sie einen ganzen Tag. Das Auto muss in einer Werkstatt repariert werden. Für die Hilfe müssen sie nichts bezahlen, und auch die Unterkunft ist gratis. Einheimische laden sie zu sich ins Apartment ein.

Auch in Polen werden sie gut aufgenommen. In der Nähe von Warschau bleiben sie einige Stunden bei einer Freundin. Sie lebt in einem kleinen Ein-Zimmer-Apartment. Damit die Flüchtenden ein paar Stunden Ruhe haben, macht sie Platz und geht in einen nahegelegenen Park.

In Wolfenbüttel leben sie mit drei Familien in einem großen Haus. Endlich hat sich ein Gefühl der Sicherheit eingestellt. “Die Kinder hören keine Sirenen, keine Raketen und keine Kampfjets”, sagt Olga.

Trotzdem will sie zurück, sobald der Krieg zu Ende ist.

Ihr Ehemann kämpft als Soldat in der Ukraine gegen die Russen. “Ich hoffe, dass wir gewinnen”, sagt Olga: “Wir hatten dort ein gutes Leben. Hier haben wir nichts. Aber ich werde nie unter einem russischen Regime leben.”