Maryna Piskovscay hat den Krieg schon lange kennengelernt. Seit 2014 wird in ihrer Heimatstadt Awdijiwka in der Region Donezk geschossen und gekämpft. Russische Separatisten erobern die kleine Stadt im Donbass im Frühjahr, im Juli 2014 wird sie von ukrainischen Soldaten wieder befreit. Aber der Frieden kehrt nicht mehr zurück. 2017 wird erneut um die Stadt gekämpft. Danach wird es lediglich etwas ruhiger.
Die Piskovskays arrangieren sich lange mit der Situation und bewältigen dabei ihren Alltag, so gut es eben geht. Manchmal, wenn es zu gefährlich wird, zieht die Familie für kurze Zeit in eine andere Stadt in der Nähe. Aber Maryna bleibt. Sie arbeitet als Abteilungsleiterin in einem Chemiewerk. “Ich trage Verantwortung. Ich kann das nicht alleine lassen”, sagt die 44-Jährige. In dem Chemiewerk habe sie bei Angriffen auch Schutz suchen können.
Sie bleibt sogar, als es in der Fabrik zu einem Brand kommt.
Aber Ende Februar 2022 nimmt der Schrecken des Krieges eine neue, gewaltige Dimension an. “Auf einmal gab es auch Angriffe aus der Luft. Da wussten wir: Jetzt geht es richtig los.”, erzählt Maryna, nachdem sie geflohen ist.
Zunächst versucht die Familie, sich in der Ukraine in Sicherheit zu bringen.
Maryna fährt mit ihrem Mann, dem 25-jährigen Sohn und der 10-jährigen Tochter nach Dnipro. Es ist die viertgrößte Stadt der Ukraine, sie liegt weiter im Westen, rund 400 Kilometer südöstlich von Kiew.
Für Maryna und ihre Tochter ist die Metropole jedoch nur eine Zwischenstation. Die Perspektive dort ist zu ungewiss. In Dnipro tobt der Krieg zwar nicht so sehr wie in Awdijiwka und der Region Donezk. Aber weil viele Flüchtlinge dort sind, ist der Wohnraum extrem knapp. Schließlich sagt Marynas Mann: “Bring dich in Sicherheit, geh’ ins Ausland.”
Maryna kauft für sich und ihre Tochter Bustickets. Sie fährt zunächst nach Warschau und dann über Berlin weiter bis nach Wolfenbüttel. 29 Stunden dauert die Reise. “Es blieb alles relativ ruhig”, erzählt sie.
Mit zwei weiteren geflüchteten Frauen und deren Kindern leben Maryna und ihre Tochter nun in einem Haus in Wolfenbüttel. Eine Zukunft für sich sieht sie hier aber nicht. “Mein Mann und ich sind 25 Jahre verheiratet. Wir gehören zusammen.
Die Hälfte von mir ist in der Ukraine geblieben.”
Ein Leben in Awdijiwka kann sie sich jedoch ebenfalls nur noch schwer vorstellen. All ihre Verwandten haben die Stadt verlassen, erzählt sie. Lediglich ein paar Arbeitskollegen seien noch dort. Und sie kann nicht verstehen, wie man es dort überhaupt noch aushält: “Es ist mitten im Kriegsgebiet. Es gibt keinen Strom mehr, und Essen bekommt man nur noch, wenn Freiwillige etwas vorbeibringen.”
Ob das Haus noch steht, in dem sie mit ihrer Familie lebte, weiß sie nicht. In den Sozialen Medien hat sie Berichte gesehen, nach denen die Stadt Awdijiwka größtenteils zerstört sein soll.
Trotzdem lebt die Hoffnung weiter. Maryna sagt: “Es ist schwierig, aber die Einwohner von Awdijiwka lieben ihre Stadt. Wenn etwas zerstört wurde, hatten sie immer Lust, es wieder aufzubauen. Ich kann nicht ausschließen, dass sie das auch diesmal tun, wenn wieder Frieden ist.”
Wir organisieren Unterkünfte, Veranstaltungen und vieles mehr für Flüchtlinge aus der Ukraine. Viele Familien benötigen ein neues Heim. Wir geben den Ukrainerinnen und Ukrainern hier eine Plattform um ihre Geschichten zu erzählen.
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